Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg
12.06.2013 - Tag 4: San Juan de Ortega - Hontanas (66km, 360Hm)

Nach dem Aufstehen war ich gerade dabei, meinen Schlafsack einzupacken, als die Frau aus Dresden hinter mich trat. Sie gab mir eine Jakobsmuschel an einer Paketschnur und sagte, dass sie jetzt eine andere Muschel hat und dass sie mir diese gerne schenken würde, damit ich auch eine Muschel habe. Diese Muschel hat weit mehr Bedeutung für mich als die Muschel, die ich später gekauft habe.

 

In der morgendlichen Kühle war der erste kleine Aufstieg schnell geschafft und im Agés (dem nächsten Ort) war erst einmal ein schönes Frühstück angesagt. Da der Reiseführer eindringlich vor dem Befahren des Fußweges mit dem Fahrrad warnte (außer man ist scharf darauf, das Fahrrad zu schieben), nahm ich das beschauliche Seitensträßchen, welches mich allerdings alsbald auf die stark befahrene N-120 führte, auf welcher ich dann nach Burgos kam. Dort suchte ich mir erst einmal ein Fahrradgeschäft, da die Sache mit der Schaltung immer übler wurde. Ich war zu früh und so musste ich erst einmal eine viertel Stunde warten, bis der Laden öffnete. Vor mir wartete aber schon ein spanisches Pärchen, um ein Fahrrad zur Reparatur abzugeben. Als der Laden dann endlich aufmachte, palaverten die Spanier und der Typ vom Laden erst einmal 20 Minuten, ob ich wartete, war völlig egal. Im Nachhinein war es auch unerheblich, da ich weitere 10 Minuten warten musste, weil der Monteur fing ja erst um 10 Uhr an. In der Zwischenzeit sind auch die drei Wiener wieder erschienen, bei einem der Räder war eine Speiche gerissen. Der Monteur zog dann zwei neue Schaltzüge ein und ließ mich damit wieder auf die Straße. Leider hat er sie Schaltung schlecht eingestellt und es war schlechter als vorher.

    

Vom Fahrradgeschäft bin ich dann zur Kathedrale gefahren und habe mir diese von außen angeschaut. Das ist das Problem, wenn man mit dem Fahrrad unterwegs ist. Man mag es halt doch nicht so lange alleine rumstehen lassen, auch wenn es abgeschlossen ist. Denn wenn es weg ist, ist auch die Reise zu Ende. Und das wollte ich nicht riskieren. Vielleicht komme ich mal zu Fuß wieder, dann schaue ich mir die Kathedrale auch von innen an. Die Sonne brannte zwischenzeitlich erbarmungslos vom Himmel. Selbst in der Ebene war es eine Qual sich zu bewegen.

        

In Tardajos habe ich erst einmal zu Mittag gegessen, bevor ich die Steigung auf die Meseta-Hochebene in Angriff nahm. Und da, wie der Name schon sagt, eine Hochebene oben liegt, ging es erst einmal hinauf. Bei 30°C im Schatten wahrlich kein Vergnügen, zumal man keinen Schatten fand. Der Weg war auf Grund der Regenfälle der letzten Zeit stark in Mitleidenschaft gezogen und es war ein einziges Geschüttele und Gerüttele.

    

Als ich dann endlich in Hontanas angekommen war, bin ich fast an der Herberge "El Puntido" vorbei gefahren, so froh war ich, dass es abwärts ging und der Fahrtwind gekühlt hat. Aber ich habe noch rechtzeitig bremsen können und habe noch ein Bett bekommen. Das Fahrrad war auch versorgt, also alles wieder gut. Nach dem Duschen und Wäsche waschen setzte ich mich auf den einzigen noch freien Stuhl im Schatten. Ich kam mit Dirk und Moni ins Gespräch, die beide zu Fuß unterwegs waren. Moni hatte gerade wegen Fußbeschwerden 3 Tage Pause eingelegt, Dirk hatte zuvor 2 Tage Pause gemacht, um seine Blasen aus zu kurieren. Zum Glück bin ich mit dem Fahrrad unterwegs. Es gesellte sich noch eine weitere junge Dame zu uns. Sie wollte eigentlich gar nicht den Jakobsweg laufen, sondern rd. 800km in den Pyrenäen wandern. Auf einer Hütte kam sie auf Grund der Schneelage nicht weiter und hatte schon 3 Tage verloren. Als ein Schweizer dann den ganzen Abend vom Jakobsweg schwärmte, schwenkte sie um und lief den Jakobsweg. Hat ja ungefähr die gleiche Länge, fügte sie lächelnd hinzu. Eine andere Frau erzählte, dass das Unternehmen, bei dem sie beschäftigt war, in Konkurs gegangen ist und sie jetzt in einer Auffanggesellschaft beschäftigt ist. Sie ist auf dem Jakobsweg gelaufen, um sich klar zu werden, ob sie sich weiter um eine Arbeitsstelle kümmern soll oder ob sie vorzeitig in den Ruhestand gehen soll. Sie hat wohl mit mehreren Menschen, die sie auf dem Weg getroffen hat gesprochen und ist zu dem Schluss gekommen, dass sie aufhört. Die Entscheidung ist auf dem Weg gefallen und das sei auch gut so, sagte sie und wirkte dabei zufrieden.
Und da war noch die junge Bulgarin, die mit einigen älteren Herren Kontakt gesucht hat und sich anschließend wohl zum Essen hat einladen lassen. Oder eine Freiburgerin und ihr Begleiter aus Straßburg, mit denen man sich abends Geschichten aus der Heimat erzählen konnte. Alles in allem ein bunter Strauß verschiedenster Menschen aus aller Herren Länder, die die verschiedensten Gründe hatten, den Jakobsweg zu bewältigen.

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