Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg
09.06.2013 - Tag 1: Pamplona - Estella (68km, 970Hm)

Mit verschlafenem Blick aus dem Fenster des Hotelzimmers heraus geschaut. Was war das? Es schüttete aus Kübeln, wie am Abend zuvor. Na toll...

Zuerst einmal wollte ich mein "Credential del Peregrino" mit dem ersten Stempel füllen. Damit auch mein Startpunkt sauber dokumentiert ist. Den Rucksack ließ ich erstmal im Hotel und begab mich auf die Suche nach besagtem Stempel. Konnte ja nicht so schwer sein, schließlich standen in meinem Reiseführer einige Stellen drin und die Wirtin vom Hotel hatte mit auch noch die Touristeninformation genannt.

Was ich natürlich nicht bedacht hatte war, dass ich an einem Sonntag startete und ich einfach zu früh dran war. Die Touristeninformation machte erst in zwei Stunden auf, das Büro an der Kathedrale hatte auch noch zu. Und so bin ich durch die Stadt geirrt. Irgendwann habe ich dann eine Bäckerei gefunden, die offen hatte und habe mir erstmal ein Frühstück gegönnt. Während ich da so saß, kamen zwei andere Pilger vorbei und auf Nachfrage bekam ich einen Tipp, dass gleich um die Ecke eine Herberge war, wo ich meinen Stempel bekommen könnte. Also gleich los, aber ich war zu spät, die Herberge hatte 2 Minuten zuvor geschlossen. Mist! Aber ich hatte Glück: Ein Pilger, der in der Herberge übernachtet hatte, war etwas spät dran und wurde vom Hospitalero heraus gelassen. Der Hospitalero war nett und gab mir noch den ersehnten Stempel. Jetzt konnte es richtig losgehen. Zurück zum Hotel, den Rucksack holen und los...

Es regnet immer noch stark und so kam, wie es eigentlich kommen musste, auf einer nassen Wurzel rutsche ich mit dem Vorderrad weg und plumpste erstmal ins Gras. Zum Glück nichts passiert und so ging es weiter, hinauf in Richtung Puerto del Perdón. Der Weg nach oben glich aber eher einem Bach, als denn einem Weg. Soweit es ging fuhr ich noch, als ich dann aber wieder wegrutsche und im Busch lag, gab ich die Sache mit der Fahrerei auf und schob das Fahrrad. Ca. 10 Minuten später stellte ich mit Schrecken fest, dass mein Navi weg war. Ich musste es beim Sturz wohl verloren haben. Also schnellstens zurück und da sah ich sie schon, die vermeintliche Kuhle, die ich im Busch zurückgelassen hatte. Alles abgesucht, aber kein Navi gefunden. Hatte ich es doch früher verloren? Ich entschloss mich, den Berg noch ein bisschen weiter bergab zu gehen (in der Gewissheit, ich muss alles wieder rauf) um auf dem Weg zu suchen. Aber was war das? Da gab es ja eine weitere Kuhle in einem Busch (scheinbar war ich nicht der Einzige, der sich lang gemacht hat). Und da lag es, mein Navi, Glück gehabt. Also ging es wieder hinauf, dem Pass entgegen. Das Wetter wurde besser und es hörte auf zu regnen. So konnte ich die Ankunft am Pass doch noch genießen.

Weiter ging es dann auf der Straße (der Reiseführer, sowie ein Einheimischer oben auf dem Pass warnten explizit vor der Abfahrt über den Fußweg). Bei Munzabei habe ich dann noch einen kleinen Abstecher zur "Eremita de Nuestra Semora de Eunate" gemacht und die achteckige Kirche bewundert. Dann habe ich eine Einheimische nach dem Weg Richtung Obanos gefragt, aber irgendwie gab es wohl Kommunikationsschwierigkeiten: Sie schickte mich in die falsche Richtung. Irgendwann bin ich dann doch wieder auf den rechten Weg gekommen und einige Zeit später in Puente la Reina angekommen, wo ich mich erstmal mit frischen Baguette und Wurst eingedeckt und eine ordentliche Brotzeit gemacht habe. Die Brücke in Puente la Reina ist schon faszinierend, auch wenn ich nur den oberen Teil sehen konnte, da auch hier Hochwasser war. Anschließend dann völlig unspektakulär auf der N-111 nach Estella, meinem ersten Ziel, gefahren.
Die erste Herberge war schon voll, aber in der zweiten Herberge, der kirchlichen Herberge, fand ich dann noch das letzte freie Bett.

 

Nachdem das Bett für die Nacht hergerichtet und ich geduscht war, ging ich in eine nahegelegene Bar, um ein Bier zu trinken. Als ich so da saß, kam ein Paar in die Bar und setzte sich zu mir an den Tisch. Die Frau saß im Rollstuhl und erzählte dann, dass sie umgeknickt sei und seit 3 Tagen in Estella festsitze. Ihr Mann geht morgen weiter und sie folgt ihm, sobald sie dazu in der Lage sei. Sie wolle den Weg gehen, weil sie hoffe, dass Gott mit ihr spricht, da sie das Bedürfnis danach hat. Nach einem weiteren Bier trennten sich unsere Weg wieder und ich ging in ein Lokal, eine Kleinigkeit essen. Es waren alle Tische besetzt, wobei ein Kellner gerade wieder Tische auseinander schob, die von einer größeren Gruppe genutzt worden waren. Und während ich wartete, um einen der Tische zu bekommen, fragten mich 3 Engländer am Tisch nebenan, ob ich mich zu ihnen setzen wolle. Wir plauderten ein bisschen und die beiden Männer erzählten mir, dass sie von einem Freund eingeladen wurden, der jetzt aber abgesagt hat. Dann sind sie eben alleine gefahren und losgelaufen. Und haben es nicht bereut. Besonders eindrucksvoll war aber die Geschichte der Frau, die ebenfalls am Tisch saß. Ihr Vater hatte sie, als sie 21 Jahre alt war, gefragt, ob sie mit ihm den Jakobsweg geht. Damals hat sie abgelehnt und ihr Vater ist den Weg alleine gegangen. Im gleichen Jahr war er verstorben. Und sie hat seit dieser Zeit damit gehadert, dass sie nicht mit ihrem Vater den Weg gegangen ist. Jetzt (sie war wohl um die 60 Jahre alt) hat sie sich aufgerafft, den Weg in mehreren Etappen zu gehen. Interessant, welche Beweggründe die Menschen haben, sich auf den Camino zu begeben.

Einzeletappen