Mit dem Fahrrad von Amsterdam nach Freiburg
19.05.2022 - Tag 5: Dinant - Bastogne (86 km, 1.468 Hm)
Die Etappe heute dürfte ziemlich anstrengend werden, da sie mitten durch die Ardennen führte. Zudem waren für heute Nachmittag schwere Gewitter vorausgesagt und die Wetterfrösche empfahlen eindringlich zu Hause zu bleiben, da Gefahr für Leib und Leben bestehe würde.
Daher startete ich nach einem ausgiebigen Frühstück heute bereits um 7:45 Uhr, damit ich hoffentlich den schweren Gewittern aus dem Weg gehen konnte.
Noch ein Blick von der Pont "Charles de Gaulle" auf die Maas und die wunderschönen Häuser am Ufer und dann ein Stückchen des Weges zurück, den ich gestern gekommen bin. Aber nicht lange, dann ging mein Weg rechts ab und folgte der Straße aufwärts zur Citadelle de Dinant. Nach 20 Minuten hatte ich die ersten 10% des Gesamtanstiegs der heutigen Etappe geschafft. Schön war der Anstieg nicht, da hier im Berufsverkehr einfach wenig Platz war.
So ging es die N936 weiter in Richtung Osten. Je weiter ich mich von Dinant entfernet, desto weniger wurde der Verkehr und die Bebauung. Dafür war es hügelig, das konnte ja lustig werden. Aber lieber ein ständiges auf und ab, als immer nur gerade an einem Kanal entlang.
Auch wenn die Straßen nicht immer in einem guten Zustand waren, machte es Spaß hier zu radeln. Auch auf den Landstraßen war häufig ein Suggestivstreifen als Schutzstreifen vorhanden, so dass man gut radeln konnte. Und so ging es bei bestem Rad-Wetter durch die Landschaft.
Kurz hinter Haversin tauchte dann in einem kleinen Wäldchen am Wegesrand eine kleine Kapelle "Saint-Lambert" auf. Ich stoppte, um sie mit etwas genauer anzusehen. Die Kapelle wurde im Jahre 1700 errichtet und steht seit 1953 unter Denkmalschutz. Da die Kapelle geplündert wurde und zudem baufällig ist, finden im Inneren seit Jahren keine Zusammenkünfte mehr statt. Die Zusammenkunft wurde seit einigen Jahren vor die Kapelle verlegt. Seit dem Jahre 2006 will eine gemeinnützige Organisation das Bauwerk retten.
Nach der willkommenen Unterbrechung an der Kapelle ging es weiter in der hügeligen Landschaft. Wobei so richtig genießen konnte ich es nicht, da die Straßen teilweise in einem üblen Zustand waren. Zu nahe an den Rand durfte man nicht fahren, wollten man auf dem Rad bleiben.
Dann ging es hinab nach Marche-en-Famenne, einer kleinen Stadt mit rd. 18.000 Einwohnern, aber 13 Ortsteilen. Das Navi lotste mich direkt in den Ortskern, wo ich eine nette Bar sah. Ich beschloss, hier ein Pause zu machen und etwas zu essen, obwohl es erst kurz nach 10 Uhr war. Leider gab es in der Bar noch nichts zu Essen. Dafür gab mir der Kellner den Tipp, dass es zwei Straßen weiter eine Bäckerei gibt, in der ich mir was holen können und dann in der Bar zum Kaffee essen könne. Ich ging also in die Bäckerei, holte mir 2 Waffeln und ging zurück zur Bar. Nachdem ich gefrühstückt hatte, packte ich die übrig gebliebene Waffel ein (eine weise Entscheidung, wie sich noch herausstellen sollte) und startete in Richtung Bastogne.
Direkt hinter Marche-en-Famenne ging es den ersten Anstieg hoch. Es war ja wunderschön hier, aber es geht auch gut nach oben. Irgendwie sieht es hier fast so aus, wie daheim (zumindest teilweise).
Bei Lignières stand an der Straße ein Schild, welches mich mit im "Herzen der Ardennen" begrüßte. Hätte ich mich besser mal auf der Website vorher umgesehen, dann hätte ich gewusst, dass das Abenteuer hier beginnt. Und was soll ich sagen, die Jungs und Mädls hatten Recht.
Erst ging es noch leicht auf und ab, bevor dann der nächste Aufstieg begann.
Mich wunderte, als ich den Aufstieg bewältigte, warum hier Motorradfahrer aus den Niederlanden an mir vorbeifuhren und die Kurven genossen. Es sah bei ihnen so leicht und locker aus, während ich meinem Ruf als Berghummel wieder einmal gerecht wurde. Oben angekommen sah ich warum hier Motorradfahrer unterwegs waren. Ich war auf dem Halleux-Pass auf 393m Höhe.
In Halleux gab es, außer dem Schild, welches auf die Passhöhe hinwies, nicht viel, aber eine Kirche hatten sie.
Dann ging es erst hinunter und dann wieder hinauf nach Ronchamps/Vecmont. Blöd nur, dass die Straße bei der Bergabfahrt irgendwie in einem schlechten Zustand war, so dass ich nur langsam fahren konnte, bergauf dafür dann wieder in guten Zustand, obwohl ich hier auch nur langsam hoch gekrabbelt habe. Manchmal ist es eben ungerecht...
Vor den beiden letzten großen Anstiegen machte ich an einem lauschigen Plätzchen kurz vor Mièrchamps nochmal Rast und aß meine 2 Waffel und trank noch etwas Wasser, welches langsam zur Neige ging. Jetzt war mit auch klar, warum es bei der Planung so schwer war, in den Ardennen eine geeignete Unterkunft zu finden. Es gab hier einfach nichts. Das Gebiet ist so dünn besiedelt, dass man hier auch eigentlich keine Menschen sieht (also außer den niederländischen Motorradfahrern).
Die hügelige Landschaft machte einen trügerischen Eindruck. Sie sah so schön aus und hatte trotzdem so gemeine Anstiege.
Einer dieser gemeinen Anstiege war in Grand'Garde zu Ende. Ich war froh, das Schild zu sehen und zu wissen, dass es der vorletzte größere Anstieg für heute war.
Von Grand'Garde ging es hinunter nach Wyompont. Dabei kam ich auch einen schönen Blick auf die "Paysage du parc naturel des deux ourthes".
Die Abfahrt ging über intakte Straßen und machte Spaß. An den anschließenden finalen Anstieg verschwendete ich noch keinen Gedanken. Als ich dann die Ourthe überquerte, war dann aber der Spaß vorbei. Der letzte größere Anstieg für heute stand an.
Und dieser Anstieg hatte es in sich. Im Schatten ging es ja noch, aber in der Sonne war es eine Qual. Da ich dringend wieder etwas zu essen und zu trinken brauchte, stoppte ich und aß einen Energieriegel und trank das letzte Wasser. Ich suchte auch hier auf dem Handy wieder nach einem Lebensmittelladen, einem Kiosk oder einer Tankstelle. Nichts, hier war einfach nichts. Nach einem Restaurant oder einer Bar brauchte man hier überhaupt nicht erst zu suchen.
In Givroulle kam ich an einem Haus vorbei, bei dem ich vermutete, dass jemand zuhause ist. Ichklingelte und eine alte Frau öffnete die Tür. Wir haben uns zwar nur mit Händen und Füßen verständigen können, aber sie gab mir eine Flasche Wasser, mit der ich meine Flaschen wieder auffüllen konnte. Sie wollte auch nichts dafür, sondern wünschte mir noch "Bon Voyage". Sie war meine Rettung, weil ohne Wasser ist es echt übel...
Es waren nur noch wenige Kilometer nach Bastogne, aber das Wetter schlug zu.
Kurz vor 15 Uhr begann der Wind aufzufrischen und der Himmel wurde dunkel. Sollte mich jetzt doch ein Gewitter erwischen?
Als es dann auch noch zu tröpfeln begann, stoppte ich bei der nächsten Unterstellmöglichkeit, einem verdreckten, staubigen Buswartehäuschen. Ich wusste nicht, wann die nächste Unterstellmöglichkeit kommen würde und ich hatte aber auch keine Lust, während eines Gewitters in der freien Landschaft oder einem Wald zu stehen. Dann begann es zu regnen, aber nicht sonderlich stark. Es kamen zwei Radler aus der Richtung, in die ich fahren wollten, aber sie waren nicht wirklich nass. Irgendwann nieselte es nur noch ein wenig und ich beschloss wieder weiter zu fahren und die letzten Kilometer dieser Etappe in Angriff zu nehmen.. Es war zwar die letzte
Unterstellmöglichkeit gewesen, aber ich hätte auch weiterfahren können. Ca. 1km weiter waren die Straßen trocken, dort hatte es nicht geregnet. Aber wer hatte das gewusst...
Noch einmal die Autobahn queren, am Museum "Bastogne Barracks" vorbei und die Rue du Sablon entlang, schon war ich in meiner heutigen Unterkunft, dem "Hotel Giorgi". Das Fahrrad mit auf's Zimmer genommen, Wäsche gewaschen und Bastogne erkunden, so war der Plan.
Für heute hatte ich noch einen Auftrag von meinem "Untermieter" daheim. Ich sollte ihm eine Postkarte aus Bastogne schicken. Eine Postkarte zu schreiben ist irgendwie aus der Mode gekommen und so begab ich mich auf die Suche nach so einem Relikt der Vergangenheit. Endlich fand ich eine Postkarte und der freundliche Buchhändler verkaufte mir auch gleich eine Briefmarke dazu. Für das Geld kaufen sich andere Menschen einen Gebrauchtwagen. Egal, schnell noch Anschrift und ein paar nette Worte drauf und ab in den Briefkasten, den ich am Parkplatz neben dem Hotel schon erspäht hatte.
Jetzt konnte ich mich endlich auf die Besichtigung der Ortes machen. In der Rue du Sablon, der Hauptstraße von Bastogne, gab es eigentlich nur Restaurants und Souvenirgeschäfte. Dazwischen einen kleinen Lebensmittelladen und zwei Buchhändler. Der ganze Ort lebt wohl von der Schlacht im 2. Weltkrieg. DA kommen Besucher extra her, um sich die Kriegsmuseen und Schützengräben anzuschauen. Und dazwischen, man glaubt es kaum, eine Schweinemuseum.
Direkt an der Hauptkreuzung steht ein M4 Sherman-Panzer der amerikanischen Streitkräfte, der am 30. Dezember 1944 auf der Flucht vor den Deutschen in einem schneebedeckten Teich liegen bliebt. Die Besatzung wurde teilweise verletzt und geriet in Gefangenschaft. Der schwerverletzte Kommandant starb wenige Tage später.
War schon imposant, welche Löcher die massive Panzerung aufwies.
Anschließend ging ich noch in das zum Hotel gehörende Restaurant eine Pizza essen und verzog mich dann auch bald aufs Zimmer. Morgen steht die nächste Etappe an.